Neue Kampfsportgruppe mit Akteuren der rechten Szene in GE-Ückendorf und fragwürdiger Journalismus – Stellungnahme des Antifa Cafe Gelsenkirchen zur aktuellen Debatte

In dem Fitnesscenter „Stahlwerk“ in Gelsenkirchen-Ückendorf hat sich um den führenden Kopf der “Steeler Jungs“ Christian Willing alias „Bifi Chris“ eine neue Kampfsportgruppe namens “Guerreros“ gegründet. Auf mehreren Fotos der Homepage der “Guerroros-Fighters“ ist zu sehen, wie Christian Willing mit dieser Gruppe im “Stahlwerk“ trainiert und posiert.

“Bifi Chris“ kein Unbekannter

Christian Willing ist einer der führenden Köpfe der “Steeler Jungs“. Die Gruppierung zieht als selbsternannte “Bürgerwehr“ seit 2017 meist jeden Donnerstag durch den Essener Stadtteil Steele. Bei diesen sogenannten “Spaziergängen“ treten meist martialisch und aggressiv auftretende Männer in Erscheinung und schaffen ein Bedrohungsszenario gegenüber Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen. [°1,°2, °3]

Die Steeler Jungs unterhalten gute Kontakte zu der rechtsradikalen Gruppierung “Bruderschaft Deutschland“ aus Düsseldorf. [°4, °5, °6] Immer wieder treten die beiden Gruppierungen in ganz NRW gemeinsam bei Demonstrationen und “Spaziergängen“ in Erscheinung. [°7] Erst 2019 gab es etliche Hausdurchsuchungen bei Mitgliedern der “Bruderschaft“, aufgrund von Vernetzungen ins rechtsterroristische Milieu. [°8, °9]

Beide Gruppierungen sind verantwortlich für zahlreiche Einschüchterungsversuche und gewalttätige Übergriffe. [°10, °11,°12,°13,°14] Dass Personen der “Bruderschaft” bei Demonstrationen mit Sprechchören auftreten wie: “Wenn wir wollen, schlagen wir euch tot” ist bezeichnend. [°15,°16]

Jener Christian Willing ist auch Besitzer der Kneipe “Sportsbar300“ in Essen Steele. Dort fanden bereits mehrere Rechtsrock- Konzerte statt. Im November 2019 war z.B. die rechtsradikale Band “Die Lunikoff Verschwörung“, deren Sänger Michael Regener Kontakte in das rechtsterroristische Milieu pflegt, in der “Sportsbar300“ zu Gast. [°17]
Auch die rechte Hooliganband „Kategorie C“ gab dort bereits ein Konzert.

Die Kneipe dient vor und nach den “Spaziergängen der Steeler Jungs“, der rechten “Bürgerwehr“ im Stadtteil, als Anlauf- und Treffpunkt. [°1,°3]
Während der antifaschistischen Demonstration „Der Pott bleibt unteilbar“ im September 2019 in Essen-Steele versammelten sich in und vor der “Sportsbar300“ zahlreiche bekannte Neonazis aus ganz NRW. Unter anderem der Organisator der “HOGESA“ Demonstrationen Dominik Roeseler aus Mönchengladbach.

Willing ist zudem Mitglied der “Alten Garde Essen“, einer Hooligan- Gruppierung von Rot-Weiß Essen. [°18] Diese Gruppierung ist verantwortlich für Solidaritäts-Spruchbänder für andere rechte Fußballgruppen wie z.B. der “Nordsturm“ aus Bremen (NS-HB), [°18] oder verhinderte die Filmvorführung „Blut muss fließen“, eine Dokumentation über Rechtsrock, in den Räumlichkeiten des Essener Fanprojekts. [°19]

Soweit so bekannt…

Professioneller Journalismus ?

Die antifaschistischen Bündnisse “Essen stellt sich quer“ und das “Gelsenkirchener Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung“ brachten Ende April eine Pressemitteilung zum “Fitnessclub Stahlwerk“ heraus und machten auf die offensichtlichen Verbindungen aufmerksam.
WAZ und Radio Emscher-Lippe veröffentlichten kurz darauf einen Artikel dazu.

Leider wurde in den Berichten auf professionelle Recherche verzichtet. Stattdessen kam bei der WAZ ausführlich eben jener Christian Willing zu Wort und konnte dort seinen rechtsradikalen Hintergrund dementieren und die antifaschistischen Bündnisse gar als linksextrem diffamieren. Über Willings Kneipe und deren Bedeutung für die rechte Szene in Essen wurde wiederum nichts geschrieben und auch seine Verbindung ins rechte Hooligan- Milieu blieb unerwähnt.
Bei Radio Emscher Lippe dementierte der Besitzer des “Fitnessclubs Stahlwerk“ Frank Schmidtmann jegliche Verbindung zur rechten Szene.

Dass die Bilder eines posierenden bekannten Neonazis im “Stahlwerk“ oder rechtsradikale Bands in Christian Willings “Sportsbar300“ mit den gemachten und gedruckten Aussagen keineswegs zusammen passen, ist eigentlich offensichtlich. Guter Journalismus und Recherche sieht anders aus. Unbequeme und zielgerichtete Fragen zu den Hintergründen wären hier zwingend notwendig gewesen.

Die „Guerreoros Fighter“ um Führungskader der Steeler Jungs Christian Willing (rechtes Bild) posieren im Gelsenkirchener Fitnessclub Stahlwerk. Quelle; Screenhoot Homepage der Guerreros Fighter.

Das berühmte blinde rechte Auge

Unkritisch wurde passend dazu im Artikel von Radio Emscher- Lippe der Persilschein der Gelsenkirchener Polizei übernommen. Polizei GE: „So lange dort keine Straftaten passierten, sei der Club erstmal als ganz normaler Sportclub anzusehen“. Die Einsicht, dass rechte und menschenverachtende Gesinnung nicht erst durch Straftaten problematisch und gefährlich wird, scheint auch nach dem Mord an Walter Lübcke und den Anschlägen von Halle und Hanau in Gelsenkirchen noch nicht überall angekommen zu sein.

Die WAZ legt nach

Am 6. Juni erschien dann ein weiterer Artikel “Kampfsport & Bandidos-Rocker“ zum Thema “Stahlwerk“ in der WAZ.
Zu Wort kamen ausnahmslos Stahlwerk- Betreiber Frank Schmidtmann und dessen Vermieter, ein gewisser Herr Morsbach. Zeilenlang wussten beide zu berichten, dass man mit rechtem Gedankengut nichts am Hut habe. Schmidtmann sei ein „Kümmerer“. Bosnier und Polen würden im Club trainieren und die Chemie würde entscheiden wer im Club aufgenommen wird. Ein Nazi-Bezug sei „weit hergeholt“ so Schmidtmann und Morsbach.

In ganzen 4 Zeilen wurde kurz der Bezug Christian Willings zu den “Steeler Jungs“ erwähnt.

Die antifaschistischen Bündnisse, die auf die Situation im “Stahlwerk“ aufmerksam gemacht und dazu recherchiert haben, kamen nicht zu Wort.
Auch sucht man vergebens Wortmeldungen von Menschen, die sich seit Jahren in Essen-Steele mit den Umtrieben der “Steeler Jungs“ konfrontiert sehen oder gar Opfer von Gewalttaten eben jener Truppe wurden.

WAZ sieht journalistische Grundsätze gewahrt

Auf Nachfrage unsererseits bei der WAZ Redaktion ob dies nun alles zu dem Thema gewesen sei oder ob noch weitere Berichte folgen, in denen in selber Ausführlichkeit noch weitere Akteure zu Wort kommen, kam die lapidare Antwort man hätte sich an “journalistische Grundsätze“ gehalten und “jeder Seite die Möglichkeit eingeräumt, Stellung zu beziehen.“

Dass wir dahingehend zu einer anderen Einschätzung gekommen sind, sollte in den letzten Absätzen deutlich geworden sein.

Fazit

Indem bei der Presse- und Medienarbeit überwiegend ein Neonazi, dessen Freunde und die Polizei Raum für Dementi, Rechtfertigung und Relativierung bekommen haben, wurde es geschafft in der Öffentlichkeit das Bild eines ganz normalen Fitnessclubs aufrecht zu halten.

Dass im “Fitnessclub Stahlwerk“ eine führende Person der rechten Szene des Ruhrgebiets ein und aus geht und mit seiner Kampfsporttruppe dort trainiert, posiert und sogar die Räumlichkeiten als öffentliche Plattform nutzt, scheint dadurch nicht mehr von Relevanz zu sein.

Dass die “Steeler Jungs“ mit Christian Willing und ihrer martialischen und aggressiven Kampfsport-Attitüde wöchentlich seit mehr als zwei Jahren in Essen ein Szenario der Einschüchterung und Angst gegen Menschen, die nicht in ihr Weltbild passen, schaffen, wirkt in der Debatte nur noch wie eine zusammenhanglose Randnotiz.

Dass dies in der aktuellen Entwicklung von stetig steigenden Fallzahlen von rassistischen, antisemitischen und xenophoben Gewalttaten, sowie einer erschreckenden Entwicklung von Rechtsruck und Rechtsterrorismus in den letzten Jahren passiert, ist bitter und traurig.

 

 

Anhang:

1.Pressemitteilung von "Essen stellt sich quer" und dem "Gelsenkirchener
Aktionsbündnis gegen Rassismus und Ausgrenzung":
https://essq.de/index.php/2020/04/27/teile-der-steeler-jungs-gruenden-kampfsport-club-in-gelsenkirchen/

2.Artikel der WAZ vom 12.5.2020:
https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/rechter-kampfsport-club-in-gelsenkirchen-buendnisse-warnen-id229101135.html

3.Artikel der WAZ vom 6.6.2020:
https://www.waz.de/staedte/gelsenkirchen/sportler-wir-sind-keine-neonazis-id229263182.html

4.Beitrag von Radio Emscher Lippe:
https://www.radioemscherlippe.de/artikel/aktionsbuendnisse-warnen-vor-kampfsportclub-in-gelsenkirchen-594175.html


Quellen:

°1 
https://www.belltower.news/nrw-die-steeler-jungs-verbreiten-angst-in-essen-89633/

°2
https://essq.de/index.php/2020/03/16/steeler-jungs-rechtsradikales-netzwerk-auf-vkontakte

°3
https://www.faz.net/aktuell/politik/inland/buergerwehr-von-rechtsextremen-hooligans-und-rockern-16423166.html?GEPC=s3&premium=0x1cbbb9d2f0557a4d594c959ace5d3fd5

°4: 
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/buergerwehren-104.html

°5
https://essq.de/index.php/2019/05/16/gleich-und-gleich-gesellt-sich-gern/

°6
https://essq.de/index.php/2019/08/05/drohkulisse-vor-rheinbad-die-steeler-jungs-mit-dabei/

°7
https://blog.zeit.de/stoerungsmelder/2018/09/21/nach-tod-von-neonazi-marcel-k-rechtsextreme-ziehen-durch-moenchengladbach_27217

°8
https://www1.wdr.de/nachrichten/landespolitik/razzia-rechtsextremist-duesseldorf-100.html

°9
https://www.bnr.de/artikel/aktuelle-meldungen/schlag-gegen-rechte-bruderschaft

°10
https://www.hagalil.com/2019/08/steeler-jungs/

°11
https://essq.de/index.php/2019/12/20/todesdrohung-gegen-linke-und-gruene/

°12
https://essq.de/index.php/2020/03/29/rechtskraeftig-verurteilung-wegen-hitlergruss/

°13
https://essq.de/index.php/2019/04/01/vorfaelle-um-steeler-jungs-reissen-nicht-ab/

°14
https://www.akduell.de/home/lokales/erneut-uebergriffe-auf-essener-antifaschistinnen

°15
https://twitter.com/jfda_ev/status/1179867063302709248?lang=de

°16
https://www.belltower.news/extrem-rechte-demo-in-berlin-wenn-wir-wollen-schlagen-wir-euch-tot-91627/

°17
https://essq.de/index.php/2019/11/19/rechtsradikales_konzert_in_essen/

°18
https://essq.de/index.php/2019/05/16/rechtes-fussballturnier/

°19
https://www.waz.de/staedte/essen/wie-die-hooligans-der-alte-garde-essen-die-rwe-fanszene-beherrschen-id8599321.html


weitere Infos zum Thema:

1. Ausführlicher Bericht von Belltower News über Aktivitäten und
Vernetzung der Steeler Jungs:
https://www.belltower.news/nrw-die-steeler-jungs-verbreiten-angst-in-essen-89633/

2.Bericht von Hagalil über die Steeler Jungs:
https://www.hagalil.com/2019/08/steeler-jungs/

3.Gute WDR-Dokumentation über die Steeler Jungs:
https://www1.wdr.de/mediathek/video/sendungen/unterwegs-im-westen/video-wer-stoppt-die-rechte-buergerwehr-100.html